Zwei Praktika in Österreich

Hi, wir sind Jessi und Emy und machen unsere Ausbildung am Badischen Staatstheater in Karlsruhe zur Maßschneiderin Fachrichtung Damen (Jessi) und Herren (Emy). Zu Beginn unseres zweiten Lehrjahres hatten wir die Möglichkeit, ein vierwöchiges Auslandspraktikum in Österreich zu machen. Jessi zog es in ein 2 000-Einwohnerdorf in die Berge und Emy in die 2 000 000-Stadt Wien. Um zu verdeutlichen, wie unterschiedlich ein Praktikum im gleichen Land, zur gleichen Zeit, im gleichen Berufsfeld sein kann, haben wir einen Vergleich aufgestellt.
Emys Praktikum bei Art for Art

Mein Praktikum habe ich bei Art for Art gemacht. Dort werden, unter anderem, die Kostüme für die Wiener Staatsoper, die Volksoper und das Akademie- und das Burgtheater gemacht. Aber die Aufträge kommen auch aus ganz Europa. Insgesamt arbeiten bei Art for Art knapp 400 Menschen, auch in den Bereichen der Dekorationswerkstätten, Kostümfundus, Kulissenlager, Logistik, Kundeninformation und Kartenvertrieb. Während meines Praktikums habe ich viele unterschiedliche Arbeiten machen dürfen. Von Änderungen bis zu Neuanfertigungen für das Nest (die neue Wiener Staatsoper für Kinder und Jugendliche), war alles dabei. Ich habe Anzüge für Liliom (Burgtheater) geändert, Namensschilder und kleinere Änderungen für das Weiße Rössl (Volksoper) und die Längen und Krägen an einigen Kaftanen für das Weihnachtsballett Winter’s Tale staffiert. Mit den anderen Auszubildenden dort habe ich einige Tage an Mänteln für die Oper Tannhäuser gearbeitet. Zum Ende meines Praktikums habe ich auch die Hose für Peter (in Peter und der Wolf im Nest) nähen dürfen und das Sakko des Großvaters für die gleiche Produktion. Ich fand mein Praktikum richtig toll! Ich habe nicht nur neue Menschen kennengelernt, sondern auch neue Verarbeitungstechniken. Das Vertrauen in mich selbst und meine eigenen Fähigkeiten ist gewachsen und ich kann es nur allen empfehlen ein Praktikum zu machen, wenn man die Möglichkeit dazu hat.
Emiglia Erben
Jessis Praktikum in der kleinen Schneiderei
Über Instagram wurde ich auf die kleine Schneiderei von Barbara Pfister im Zillertal aufmerksam. Nach einem kurzen Telefonat war die Katze im Sack und dem Praktikum stand nichts mehr im Wege. Aber eine Schneiderei irgendwo am Ende der Welt? Wer kommt denn da hin? Tradition wird in Österreich großgeschrieben und dazu gehören nun mal Trachten. Wer also ein perfekt passendes Dirndl, Röckl oder eine Sonntagstracht möchte, braucht eine gute Schneiderin. Da nimmt man gerne auch mal eine etwas längere Anfahrt in Kauf. Zu Beginn durfte ich einige Reparaturen und Änderungen machen. Natürlich durfte ich auch bei der Maßanfertigung von Trachten mithelfen. Hier konnte ich verschiedene Verarbeitungstechniken erlernen. Bei den Anproben konnten wir dann direkt sehen, ob alles so passt, wie es soll. Während meiner Zeit in Tux durfte ich sogar mein eigenes Dirndl nähen. Dafür mussten wir mich zuerst vermessen, ich durfte den Schnitt selbst zeichnen, wir bestellten Stoff, schnitten alles zu und dann konnte ans Nähen gehen. Abgerundet habe ich das Ganze mit dem Knopfverschluss in der vorderen Mitte, der dank der perfekten Musterfortführung kaum zu sehen ist. Die Zeit im Zillertal war eine große Bereicherung für mich. Ich konnte viel Neues lernen und mein Selbstbewusstsein stärken. Zu sehen, wie die Planung in einem Atelier ablaufen kann, war sehr interessant.
Jessica Farrenkopf