Von der hohen Kunst, Jubi­lä­en zu kulminieren.

Okt 2013

Tri­na­tio­na­ler Aus­tausch mit Gobe­lins, Paris,
und der Rerich-Kunst­fach­schu­le, St. Petersburg

Tri­na­tio­na­ler Work­shop der Carl–Hofer–Schule Karls­ru­he, der Gobe­lins Éco­le de L‘Image Paris und der Rerich Kunst­fach­schu­le St. Peters­burg, vom 7. bis 12. Okto­ber 2013 in Berlin-Köpenick.

Eine Jubi­lä­ums­fahrt der Extra­klas­se ist es gewor­den. Zu Beginn mei­ner 50. Exkur­si­on mit Schü­le­rin­nen und Schü­lern des Drei­jäh­ri­gen Berufs­kol­legs Gra­fik­de­sign gibt es gleich zu Beginn schon Ärger am Check-in des Baden-Air­parks. Kol­le­ge Sau­ter muss mich per iPho­ne zurück­ru­fen vom Gate hin­ter dem Sicher­heits­check. Der Nach­na­me einer Teil­neh­me­rin ist falsch geschrie­ben auf dem Flug­schein von Air Ber­lin. Ver­ges­sen hat­te ich, zu prü­fen, ob denn Air Ber­lin die Namen auch rich­tig von mei­ner Buchungs­lis­te über­nom­men hat, auf der schließ­lich alles rich­tig geschrie­ben ist. Kein Erbar­men zeigt die Dame am Schalter.

535,83 € kos­tet es zusätz­lich, um die arme, ver­schüch­ter­te Schü­le­rin dann doch noch mit an Bord neh­men zu kön­nen. Dafür fehlt dann in Ber­lin ein Kof­fer und ein ande­rer ist ziem­lich ram­po­niert. In Ber­lin Tegel kennt man mich schon am Rekla­ma­ti­ons­schal­ter, schließ­lich ist es das 5, Mal in all den Jah­ren, dass ich dort vor­spre­chen muss.

50 Jah­re Deutsch-Fran­zö­si­sches Jugend­werk sind der Grund, war­um wir nach 25 Jah­ren Schü­ler­aus­tausch des BKGD unse­ren 20. Work­shop mit den Freun­den aus Paris und den 5. gemein­sa­men mit den Freun­den aus St. Peters­burg in unse­rer Bun­des­haupt­stadt durchführen.

Mit 71 Teil­neh­mern wur­de nicht nur ein reich­hal­ti­ges his­to­ri­sches und kul­tu­rel­les Pro­gramm absol­viert, son­dern auch rich­tig zusam­men gear­bei­tet. Ein Jubi­lä­ums­pla­kat gilt es zu gestal­ten. In Klein­grup­pen, kal­li­gra­phi­sche Lösung, Schreib­fe­dern und Tusche nach alter Künst­ler Sit­te selbst her­ge­stellt! Für die Schreib­fe­dern brauch­ten wir eini­ge von den 5‑Li­ter-Bier­fäss­chen, mit dem schö­nen Schwarz­wald­mä­del namens Bir­git Kraft*. Lee­re natür­lich, denn sonst wäre es viel­leicht nicht weit her gewe­sen mit dem tri­na­tio­na­len Work­shop. Unter fach­kun­di­ger Anlei­tung der Deut­schin­nen rücken Fran­zö­sin­nen und Rus­sin­nen mit gro­ßen Blech­sche­ren dem Schwarz­wald­mä­del zu Lei­be und zer­le­gen die Fäss­chen in klei­ne Stü­cke. Und oh Wun­der, nur eine ein­zi­ge schnei­det sich in die Hand, an den schar­fen Kan­ten des dün­nen Blechs. Zum Ver­arz­ten genügt hier ein Pflas­ter und ein paar trös­ten­de Wor­te. Nicht so bei der Schü­le­rin mit dem nord­afri­ka­ni­schen Teint. Sie bekommt mit­ten in der Nacht so star­ke Schmer­zen, dass mich der fran­zö­si­sche Kol­le­ge gegen halb drei aus dem Bett holen muss. Mit der 112 mobi­li­sie­re ich Ret­tungs­kräf­te, die schon kurz nach Been­di­gung des Not­ru­fes ret­tend ins Schlaf­ge­mach der jun­gen Fran­zö­sin­nen vor­sto­ßen. Als gera­de­zu vor­bild­lich ist die­ser Ein­satz der Ber­li­ner Feu­er­wehr zu bezeich­nen, die die Pati­en­tin schließ­lich nach erfolg­ter Erst­ver­sor­gung in sit­zen­der Hal­tung abtrans­por­tiert. Beson­ders dem jun­gen Not­arzt und sei­nen Sani­tä­tern gefällt es im Zim­mer der drei Negli­gees, mit denen er auf fran­zö­sisch par­liert. Auf mei­nen per­sön­li­chen Dank ob der beherz­ten Ret­tungs­ak­ti­on ant­wor­tet er strah­lend: „Doch nich dafür! Dit is doch ma ´n anje­neh­mer Ein­satz!“ Nicht­de­sto­trotz soll ich mich aber um 10:00 Uhr in der gynä­ko­lo­gi­schen Abtei­lung des Kran­ken­hau­ses Köpe­nick ein­fin­den, denn da wüss­te man dann auch Nähe­res. Weiß die dienst­ha­ben­de Ärz­tin dann auch. Aaah, Gra­fi­ker wären wir also. Ja, das hät­te ihr auch Spaß gemacht! Und dann fach­sim­peln wir noch ein biss­chen dar­über, was Gra­fi­ke­rin­nen auf Exkur­si­on so alles zusto­ßen kann. Schließ­lich ken­ne ich mich aus, ist es doch mein 10. Kran­ken­haus­ein­satz wäh­rend einer Studienfahrt.

Die gro­ßen Frei­trep­pen vor dem Reichs­tag sind „Dem deut­schen Vol­ke“ und auch allen ande­ren nicht mehr zugänglich.

Aus Sicher­heits­grün­den. Nicht dass uns das groß stö­ren wür­de, aber wo soll man nun ein ordent­li­ches Grup­pen­fo­to machen?

Links, gegen­über dem Reichs­tag, steht das Paul-Löbe-Haus, an dem eine gewal­ti­ge Frei­trep­pe hin­un­ter zur Spree führt. Dort unten las­sen wir die Archi­tek­tur des Ensem­bles Paul-Löbe- und Marie-Eli­sa­beth-Lüders-Haus auf uns wir­ken. Die Brü­cke zwi­schen den bei­den Häu­sern über die Spree, dem ehe­ma­li­gen Grenz­fluss, ver­bin­det mit den bei­den Häu­sern sym­bo­lisch den West- mit dem Ost­teil der einst geteil­ten Stadt. Hin­ter der gewal­ti­gen Glas­fas­sa­de unten am Spree­ufer befin­det sich im Paul-Löbe-Haus das Restau­rant des Bun­des­tags­kom­ple­xes. Dort kann man sie dinie­ren sehen, die Abge­ord­ne­ten und Minis­ter. Aber auch sie kön­nen beob­ach­ten, wie wir uns just zur Mit­tags­zeit auf den Trep­pen­stu­fen pos­tie­ren. Das eine oder ande­re bekann­te Gesicht schaut zu uns rüber und rät­selt, wel­che Par­tei wir wohl ver­tre­ten. Und der voll­schlan­ke Bun­des­mi­nis­ter für beson­de­re Auf­ga­ben, der auf dem Hin­flug mit uns in der 6:30-Uhr-Maschine saß, nickt mir erken­nend zu.

Frei­tag­abend gibt es ein gro­ßes Wie­der­se­hen im Kro­ko­dil. Ange­la und Ani­ta leben und desi­gnen am Prenz­lau­er Berg, Stef­fie ist extra aus Win­sen an der Luhe ange­reist. Die drei Frau­en des Abschluss­jahr­gan­ges 2003 besu­chen uns im Strand­bad-Restau­rant. Sie wol­len mit uns ihr 10-jäh­ri­ges Abschluss­ju­bi­lä­um fei­ern. So jung kom­men wir doch nicht mehr zusam­men! Im Gegen­satz zu mir haben sie sich in all den Jah­ren nicht verändert.

Iri­na und Mari­na sind schon da. Auch sie wol­len fei­ern! Ihr Abschluss war vor 5 Jah­ren und die letz­ten 5 Jah­re sind sie mit mir als Dol­met­sche­rin­nen unter­wegs in Sachen deutsch-fran­zö­sisch-rus­si­scher Ver­stän­di­gung. Ob ich denn über­haupt wüss­te, dass dies hier schon unser 10. Ein­satz zusam­men wäre?

„На здоровье!“, „Auf eure Gesund­heit!“. Dann kom­men noch Cathi und Jolene. Bei­de Stu­den­tin­nen an der UdK (Uni­ver­si­tät der Küns­te). Vor zwei Jah­ren haben sie ihren Abschluss bei uns gemacht. „Aber das ist jetzt nun wirk­lich kein Jubi­lä­um!“, wer­fe ich ein. Obwohl: Im wei­te­ren Sin­ne sind sie inzwi­schen Kom­mi­li­to­nin­nen von mir, habe ich doch vor genau 40 Jah­ren in der­sel­ben Insti­tu­ti­on, als sie noch HfbK (Hoch­schu­le für bil­den­de Küns­te) hieß, mei­ne eige­nen Stu­di­en begon­nen. Und jetzt mel­det sich der Kol­le­ge a.D., Sieg­fried Schen­kel, zu Wor­te. Noch ein­mal mit­fah­ren woll­te er mit sei­nen alten Freun­den, mit denen er fast zwei Jahr­zehn­te zusam­men­ar­bei­te­te. Seit genau 10 Jah­ren ist er jetzt pen­sio­niert und will dar­auf einen Toast aussprechen!

Im Shut­tle vom Flug­zeug zum Ter­mi­nal sitzt Die­ter Tho­mas Heck vor mir und schwärmt von sei­ner Fin­ca in Spa­ni­en und sei­ner beein­dru­cken­den Lauf­bahn. Er hat jetzt 55-jäh­ri­ges Büh­nen­ju­bi­lä­um und das 50. beim SWR. Fei­ern will er das aber nicht mit uns. Wozu auch? Kei­ner von mei­nen Schü­lern kennt ihn mehr!

Unser aus­drück­li­cher Dank gilt dem Deutsch-Fran­zö­si­schen Jugend­werk, das unse­ren beruf­li­chen Aus­tausch seit 20 Jah­ren ideell und finan­zi­ell mit erheb­li­chen Mit­teln fördert.

* Bir­git Kraft, vom ale­man­ni­schen „Bier git Kraft“ meint: „Bier gibt Kraft!“

Bc | Fotos Bm